Eine Hommage an all diejenigen, die in den Fürsorgenden Berufen erwerbsarbeiten und private unbezahlte Care-Arbeit für Kinder und/oder pflegende Angehörige leisten.
Ich finde in dieser Gruppe fällt uns das Thema Care-Krise besonders auf die (kapitalistischen) Füße:
Die Erzieherin diskutiert mit der Pflegefachkraft, weil diese aufgrund ihres Schichtdienstes und Personalknappheit in der einen Woche mehr Betreuung braucht, in der die Kita ihre Betreuungszeiten reduzieren musste, aufgrund von zu hohem Krankenstand im Team.
Der Erzieher wiederum würde ja länger bleiben, kann es aber nicht, da die Hortzeiten seines Grundschulkindes in dieser Woche reduziert wurden, weil eine Kollegin akut erkrankt ist und voraussichtlich länger ausfällt. Das Team ist zu dünn besetzt, als dass auch nur eine erkrankte Person gut abgepuffert werden könnte, wissen die Teammitglieder doch sowieso nicht, wann sie die ganzen angehäuften Überstunden “abbummeln” sollen. Außerdem muss der eine Kollege nun schon seit Wochen seine Mutter pflegen, da das Personal im Krankenhaus nach der Hüft-OP eine gute Betreuung der dementiell veränderten Frau nicht leisten kann.
Dabei ist jede Krankmeldung gut überlegt, da sie eine Mehrbelastung für das gesamte Team darstellt. Außerdem schrumpfen Kernteams immer weiter, da es oftmals lukrativer ist für eine Zeitarbeitsfirma zu arbeiten und man dadurch nicht mehr im 3-Schicht-Betrieb arbeiten muss, was sich wiederum mit der privaten Care-Arbeit besser vereinen lässt. Wie können diese Teams ein Wir-Gefühl herstellen, wenn nicht einmal Zeit zum Trinken und Toilettengang während der Arbeitszeit bleibt? Wohlwissend, dass soziale Unterstützung einer der größten präventiven Hebel ist, wenn es um berufsbedingte Überlastung geht.
Doch das ist ja nicht genug: Personen in Fürsorgenden Berufen werden oftmals schlechter bezahlt. Das mittlere Bruttogehalt für examinierte Altenpfleger*innen liegt in Deutschland bei 2.877 Euro monatlich. Freiberufliche Hebammen erhalten für einen Wochenbettbesuch 38,46€ brutto, egal wie lange dieser dauert (“natürlich” ohne Fahrtzeiten). Reduziert eine Rettungssanitäterin ihre Stunden, ist sie aufgrund dessen besonders von Altersarmut gefährdet. Zusätzlich können sie sich, je nach Beruf und Gehalt, keine private Kinderbetreuung (um die nicht ausreichenden Betreuungszeiten auszugleichen) oder spezialisierte Pflegeeinrichtungen und ambulante Fachpersonen für ihre Angehörigen leisten und sind auf uns als Gemeinschaft angewiesen.
Diese Fachkräfte treten in der Regel mit einem guten Willen an. Sie möchten etwas verändern, für andere Menschen da sein. Ich spreche mit Hebammenstudierenden darüber, wie sie nicht irgendwann resignieren oder mitgefühlsmüde im schlimmsten Fall sogar gewaltvoll arbeiten. Und dann reicht es doch nur noch für Dienst nach Vorschrift, weil es aufgrund der horrenden Personalknappheit und des hohen Krankenstandes nicht dauerhaft für mehr reicht.
Fürsorgende Berufe ohne Care sind das Resultat, der Alltag eine ständige Zerreißprobe.
Das ist so weit weg von der Debatte, dass wir alle mehr Überstunden machen und Frauen nach der Elternzeit schnellstmöglich in Vollzeit wieder in den Beruf zurück sollen. Die Care-Krise belastet diejenigen am meisten, die sowohl beruflich als auch privat von ihr betroffen sind. Wir bestrafen diejenigen, die sich beruflich für unsere Gesundheit, Bildung oder Begleitung durch Krisenzeiten einsetzen. Wollen wir diese Gesellschaft wirklich sein?
Für mich als Arbeitspsychologin stellt sich immer wieder die Frage, wie ich mit diesen Fachkräften authentisch über Burnout-Prävention, Selbstfürsorge, Vereinbarkeit oder Work-Life-Balance sprechen kann. Und für mich als ehemalige Hebamme bleibt die Wut darüber, dass sich seit meiner ersten Demo am Wittenbergplatz 2008 so wenig verändert hat.
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